Unsere erste Reise nach Namibia im Jahr 1994          zurück zu den Bildern

Der Flug nach Windhoek verläßt Frankfurt am späten Abend. Im Flughafen hat die hektische Betriebsamkeit um diese Zeit schon etwas nachgelassen. Nach den verschiedenen unvermeidlichen Kontrollen besteigen wir, meine Frau und ich, die Maschine der Air Namibia. Stewardessen erwarten uns am Eingang und zeigen uns den Weg zu unseren Plätzen. Es dauert noch eine Weile, bis alle Passagiere ihre Plätze gefunden uind das Handgepäck verstaut haben.
Die Maschine bewegt sich langsam über das Vorfeld, endlich nach gut einer Viertelstunde sind wir auf der Startbahn. Die Motoren heulen auf, die Boing 747 startet in Richtung Süden. Die vielen Lichter am Boden werden  kleiner und schließlich verschwindet das nächtliche Deutschland unter den Wolken.

Das Flugzeug ist voll besetzt. Es war schon am frühen Abend in London gestartet und in Frankfurt zwischengelandet. Geschäftsleute und Politiker finden sich kaum unter den Mitreisenden der Economy Klasse, sie fliegen vorwiegend in der Business und First  Class. Dafür fällt eine große Zahl Touristen auf, Deutsche, Engländer, Schweizer, Skandinavier und andere, alle Altersklassen sind vertreten. Einige sind als Abenteuerreisende oder Jäger unübersehbar. Wie wir aus Gesprächsfetzen heraushören können, fliegen nicht alle das erste Mal nach Afrika wie wir. Aber es hat auch Leute, fast alle Weiße, denen man ansieht, daß sie nach Hause zurückkehren, nach Namibia. Sie waren vielleicht zu Besuch oder zum Studium in Europa, wie es scheint sind einige kirchliche Mitarbeiter und Missionarsfrauen darunter. Und schließlich gibt es unter all den Weißen eine Familie schwarzer Hautfarbe mit zwei kleinen Kindern.

Nach etwa zwanzig Minuten ist die Reiseflughöhe erreicht und die Zeichen zum Anschnallen sind erloschen.. Auf einem Display wird mitgeteilt, daß die Entfernung bis zum Zielort Windhoek noch 8000 km oder 9 1/2 Stunden beträgt. Die freundlichen Stewardessen weißer, brauner und schwarzer Hautfarbe sind dabei, das Abendessen vorzubereiten. Erst kommen die Getränke, südafrikanischer Rotwein in kleinen Flaschen und Windhoek Lager in Dosen (nach deutschem Reinheitsgebot gebraut) lassen erkennen, wohin die Reise geht. Das Windhoeker Bier schmeckt übrigens ausgezeichnet.  Das gleiche gilt auch für das Essen, allerdings ist das Hantieren mit Messer und Gabel bei der Enge der Economy-Sitze etwas gewöhnungsbedürftig.

Nach dem Essen sind es noch ca. 7000 km und 8 ½ Stunden bis Windhoek. Auf den Bildschirmen läuft ein Werbefilm über Namibia. Windhoek, Swakopmund, Namibwüste, Fischfluss-Canyon, Waterberg, Spitzkoppe, Himbas, Hereros und natürlich Etoscha mit Namutoni. Wir sind erwartungsvoll interessiert. Natürlich hatten wir uns vor unserer Reise schon ausführlich mit Prospekten und Reiseführern beschäftigt, daher ist uns einiges nicht mehr ganz fremd. Aber wie würden wir es wohl antreffen? Schließlich ist es ein anderer Kontinent, auf den wir reisen, auch wenn das deutsche Element in Namibia, dem früheren (Deutsch-) Südwestafrika noch stark vertreten sein soll.

Da wir in Namibia keine Verwandten oder Bekannte und auch keine Geschäftsbeziehungen haben,  hat man uns zuhause schon gefragt, warum wir gerade in diesem entlegenen Land unseren Urlaub verbringen wollten. Wo es doch viel bequemer zu erreichende Ferienziele wie Spanien, Griechenland, Italien oder vor unserer Tür den Schwarzwald gäbe. Die Antwort war uns etwas schwer gefallen und konnte die Fragesteller möglicherweise nicht ganz überzeugen. Viel Natur, weite Landschaften, geordnete Zivilisation, gute hygienische Zustände und nicht zuletzt die jetzt stabilen politischen Verhältnisse, das alles gleichzeitig war in Afrika nicht so leicht woanders zu finden. Dazu kam die deutsche Geschichte des Landes und die Bewunderung für die Leistungen der Deutschen in Südwestafrika / Namibia vom Ende des letzten Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Schon als Junge hatte ich einige der damals populären Heftchen über die Kolonialzeit gelesen wie „Sturm auf Namoutoni" oder „Der letzte Ritt". Aber in den Jahrzehnten nach dem Weltkrieg hatte man sich in Deutschland wenig mit Afrika beschäftigt, wir hatten genügend mit uns selbst zu tun. Erst als in den 80er Jahren die Unabhängigkeit Südwestafrikas im Gespräch war und Namibia schließlich ein selbständiger Staat wurde, da war das Interesse für dieses Land wieder geweckt worden. Wie würde es dort weitergehen, im Chaos wie in vielen anderen selbständig gewordenen afrikanischen Staaten? Oder würde doch alles in geordneten Bahnen verlaufen? Zum Glück war das Letztere der Fall, wozu sicher auch die damaligen Veränderungen in der Weltpolitik beigetragen haben.

Der Flug verläuft sehr ruhig, keine Turbulenzen haben uns Gelegenheitsflieger bisher beunruhigt. Die Flughöhe beträgt fast 12000 m, mal überfliegen wir ein Gewitter mit kräftigen, weit entfernten Blitzen, dann ist wieder alles tiefschwarz unter uns, nur gelegentlich sind einzelne Lichter zu sehen, eine Stadt oder vielleicht ein Flughafen?  Über uns breitet sich der Sternenhimmel aus, aber wir können keines der uns bekannten Sternbilder erkennen. Wir müssen jetzt schon mitten über Afrika sein, der Äquator nicht mehr fern. Es wird ein Spielfilm gezeigt, der uns wenig interessiert und so versuchen wir ein wenig einzudösen. Das gleichmäßige Geräusch der Flugzeugmotoren und die reduzierte Beleuchtung hilft uns dabei. An richtigen Schlaf ist jedoch nicht zu denken. Zwischendurch vertreten wir uns die Beine, indem wir die Toilette aufsuchen und ein wenig die Gänge zwischen den Sitzreihen  auf und ab gehen. Die Stewardess bietet von Zeit zu Zeit Getränke an, was wir bei der im Flugzeug herrschenden trockenen Luft gerne annehmen.

Die Zeit vergeht langsam aber stetig. Noch 3000 km bis Windhoek oder fast vier Stunden. Wir haben für die erste Nacht in Namibia das Hotel Safari in Windhoek gebucht, aber wir kommen ja schon am frühen Morgen dort an. Wir überlegen, ob unser Zimmer da schon bereit steht, sodaß wir erst ein paar Stunden schlafen können, bevor wir uns auf Entdeckung begeben. Man hat uns im Reisebüro in Deutschland gesagt, daß ein Flughafenbus vom 40 km außerhalb der Stadt gelegenen Flughafen bis zum Busterminal in der Stadtmitte fährt und wir von dort vielleicht ein Taxi zu  Hotel nehmen müßten. Am Sonntags, unserem Ankunftstag, sei Windhoek ziemlich ausgestorben, aber wir sollten trotzdem gut auf unser Gepäck aufpassen. Die Kriminalität in den Städten sei in den letzten Jahren seit der Unabhängigkeit angestiegen.  Am Montag früh würden wir dann von einem Reisebus zu einer 9-tägigen Rundreise durch den Norden Namibias am Hotel abgeholt. Anschließend eine weitere Nacht im Safari Hotel und danach zwei Tage auf einer Farm nahe bei Windhoek. Auch der Rückflug war schon gebucht, was konnte also noch schiefgehen?

Von Zeit zu Zeit schieben wir die Jalousie vor dem kleinen Kabinenfenster ein wenig hoch, um den Anbruch des neuen Tages nicht zu verpassen. Endlich zeigt sich ein blasser Streifen im Osten, der zunehmend heller wird und sich  rötlich verfärbt. Die Sonnenscheibe schiebt sich langsam über den Horizont und wirft ihr gleißend helles Licht in die Kabine. Alle Schläfrigkeit ist plötzlich weg, wir reiben uns die Augen und sind schon  hellwach. Auf der Erde unten ist noch alles dunkel. Auch die anderen Passagiere regen sich allmählich, die Beleuchtung wird heller und das Kabinenpersonal macht sich in der Bordküche zu schaffen. Es gibt heiße Tücher und den ersten Erfrischungstrank. Wir nehmen Orangensaft. All die kleinen Probleme, die uns in der Nacht beschäftigt hatten, sind hinweggeblasen. Unser erster Tag in Afrika hat begonnen.

Nach dem Frühstück überfliegen wir die Grenze von Angola nach Namibia, wie wir auf dem jetzt wieder eingeschalteten Monitor erkennen können. Es sind jetzt noch etwa 1000 km bis Windhoek oder eine gute Stunde Flug. Wir schauen aus dem Fenster und können unter uns Afrika sehen. Aus fast 12000 m Höhe sieht alles ziemlich flach aus und erst noch ein wenig  grau, dann wird es langsam farbiger, braun überwiegt. Unser Flugzeug beginnt langsam zu sinken, die Geschwindigleit verringert sich, das Motorengeräusch wird leiser. Vielleicht hatten wir bisher Rückenwind und sind nun zu früh dran? Wir legen die Sicherheitsgurte an.

Allmählich hat die Sonne die Erde erreicht und da wir jetzt tiefer fliegen, können wir Einzelheiten erkennen. Wir sehen viel unbewohntes Land, kahle Berge und Täler, trockene Flußläufe schlängeln sich durch die Landschaft, nur ab und zu kann man eine Straße oder einen Weg ausmachen. Von menschlichen Ansiedlungen oder gar Städten keine Spur. Über den Lautsprecher wird mitgeteilt, daß der Landeanflug begonnen hat, die Flughöhe ist jetzt noch 3000 m, das heißt hier etwa 1500 m über dem Boden. Nun können wir unten auch einige Häuser erkennen, wahrscheinlich eine Farm, nicht weit davon entfernt einen kleinen Stausee. Drum herum einzelne Bäume oder auch ein kleines Wäldchen, sonst nur Landschaft, Hügel, Berge.

Die Landeklappen und das Fahrwerk werden ausgefahren, das Flugzeug macht eine weite Rechtskurve,  fliegt jetzt mit der Sonne im Rücken der Landebahn entgegen. Die Flughöhe nimme rasch ab, 300, 200, 100, 50, 20 Meter über dem Boden, dann ein leichter Ruck, wir sind gelandet. Die schwere Boing 747 braucht noch 2 Kilometer bis sie ihre Geschwindigkeit genügend verringert hat, um dann abzubiegen und gemächlich dem  Flughafengebäude zuzurollen. Es ist kurz nach 6 Uhr und wir sind das erste Flugzeug, das an diesem Sonntagmorgen angekommen ist.

© 1997

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